Genossenschaftliches Wohnen in Winkeln, St.Gallen
Wettbewerb 1. Ankauf


Zusammenarbeit mit GSI Architekten, St. Gallen, 2023

Mettler Landschaftsarchitekten, Gossau/Berlin

Visualisierungen von Pyxel GmbH, Luzern



Eine weitere erfolgreiche Kooperation mit dem St. Galler Büro GSI Architekten AG. Das Projekt überzeugt gemäss Jury auf allen Ebenen und Massstäben und erhielt dafür den 1. Ankauf.



Entstehung – Winkeln, früher urbaner Ortsteil von St. Gallen

Mit der Industrie, die sich schon im 17. Jahrhundert mit den Mühlen am Bach und im 19. Jahrhundert mit der Eisenbahn in Winkeln ansiedelte, kamen auch Wohnbauten, welche sich entlang der Herisauerstrasse entwickelten. Die Wettbewerbsparzelle befindet sich östlich der Herisauerstrasse im heterogen gebauten Gebiet, unmittelbar neben der expressiv modernen Bruder Klaus Kirche mit dem Betondach aus dem Jahr 1959. Die Kirche bildet zusammen mit den zerstreuten Wohnbauten eine Art Insel zwischen den strassen-ausgerichteten Punktbauten an der Hauptstrasse und den strengen Zeilen an der Altwinkelnstrasse. In der Qualifikation der Ortsbildschutzzone im regionalen Vergleich von 1991 wir der Perimeter analysiert als ‘lockeren, ländlichen Ortsteil entlang der gebogenen Altwinkelnstrasse südlich der Bahnlinie und die quer zur Bahn verlaufende Herisauerstrasse, deren Nordabschnitt bereits Ansätze einer regelmässigen Bebauung aufweist’. Die bestehenden Bauten innerhalb dieses Perimeters sind ohne geometrische Strukturzu lesen. Ganz im Gegenteil zu grossen Teilen Winkelns, welche stark gerichtet und nach einem strengen Raster gebaut wurden.

St. Galler Genossenschaft

Das Bautenensemble  schafft einen eigenständigen und belebten Quartierteil inmitten von Winklen. Die räumliche Offenheit und der landschaftlich gestaltete Innenhof folgen dem genossenschaftlichen Gedanken. Die Wohnbaugenossenschaft Lerchenfeld nimmt eine Vermittlerrolle innerhalb Winkelns ein. Begegnungen vor dem Eingang oder im Hof sind erwünscht, doch lässt die Flexibilität der verschieden ausgerichteten Wohnungen auch Orte des Rückzugs zu. Die Wohnungen sind bewusst nicht nur in den Innenhof gerichtet sondern lenken den Blick in das umliegende Quartier hinein. Die halböffentlichen Dachgärten können von den Mietern der verschiedenen Häuser genutzt werden. Durch die hellen Treppenhäuser werden die Gärten erschlossen. Diese bieten eine willkommen Abwechslung zur wohnungsinternen Loggia. 



Städtebau und Setzung

Die offene und mehrseitig orientierte Bauweise integriert sich mit rechtwinkligen Gebäudeteilen in die bestehenden Bebauungsstruktur und lässt dank flachen Winkeln der inneren Bautenschenkel den zentralen Weitblick in die Ferne frei. Die Volumina schaffen eine Vernetzung der bestehenden Bebauungsmuster und Freiräume. Entlang der Altwinkelnstrasse begleitet das Volumen die Strassenflucht und schafft mit dem Abdrehen des südlichen Gebäudeteils ein Portal mit dem westlich liegenden Volumen. Damit wird ein Raummit den gegenüber liegenden Gebäuden aufgespannt. Das Gebäude am Blériotweg orientiert sich an der bestehenden Baumsubstanz. Nördlich der Parzelle sitzt ein punktähnliches, kürzeres Volumen, welches die anliegenden Freiräume fasst und zur Kirche hin vermittelt. Durch die Anordnung der drei schwimmenden Gebäude spannt sich im Zentrum ein Hof auf, welcher mit einem organisch geformten Wegnetz für alle zugänglich ist. Die Blickachse zur einmaligen Bruder Klaus Kirche bleibt erhalten. Das orthogonale Ensemblezusammen mit dem Pfarrhaus bleibt trotz nachbarlicher Intervention in seiner Integrität ungestört. Die Kirche erhält eine lebendige neue Nachbarschaft in offener Bauweise.




Ziel und Anspruch im Ortsbau

Die ungerichtete Situierung und der fliessende Freiraum schufen einst einen selbstverständlichen Übergang zur Landwirtschaftszone und prägten den östlichen Ortsrand. Die Sicht auf die Hügellandschaft in Richtung Süden und Gübsensee war frei und die zusammenhängenden Zwischenräume verliehen dem Ort eine Grosszügigkeit. Die kleinteiligen Bauten vernetzen die verschiedenen Bebauungsstrukturen in der Umgebung. Die alte Baumsubstanz verhilft dem Quartier zu einer erkennbaren Identität in Winkeln. Diese ortsbaulichen Qualitäten werden wieder aufgenommen und durch diverse Ansätze wieder belebt und neu definiert.

Baukörper

Die unterschiedlich angeordneten Gebäudeteile fügen sich in der Kleinteiligkeit und Körnung der Umgebung ein. Entlang der Strassen reagieren die Versätze orthogonal und nehmen die Bebauungsstruktur auf. Im Innenhof und zur offenen, ungerichteten Siedlungsstruktur südlich knicken die Gebäudeflügel und verjüngen sich. Die Dimensionen der Nachbarschaft werden aufgenommen. Durch die Höhenstaffelung treten die Volumina in Beziehung zu den jeweiligen Nachbarbauten und unterstreichen die Wichtigkeit der Sichtachsen in die Ferne. Die Volumina sind auf den Ort angepasst und stiften durch ihre Form und Setzung innerhalb des Gefüges eine Identität. Durch die mehrfachorientierten Gebäude steigt die Wohnqualität und die Wohnungen können von den verschiedenen Qualitäten am Ort, von der Weitsicht, dem Innenhofleben sowie der Ortsverbundenheit profitieren. Die Regelbauweise wird eingehalten und angesichts der guten Eingliederung und Gesamtwirkung ausgeschöpft.



Fassade und Schnitt

Die Fassade übernimmt die Idee der Mehrfachorientierung. Die Oberfläche gestaltet sich als umlaufende Abwicklung ohne Vor- und Rückseiten zu bilden. Der monolithische Baukörper wird durch geschosshohe Fensterzüge vertikal gegliedert. Die Loggien an den Gebäudeecken übernehmen als grösseres Pendent das gleiche Prinzip. Die Loggiaverglasung bewirkt ein natürliches Spiel durch die verschiedenen Öffnungsmöglichkeiten und Anwendungen der Gläser (Jahreszeitenzimmer). Ein Rillenputz auf dem Einschalenmauerwerk unterstreicht die murale Erscheinung. Es zeichnet sich ein feines Relief an der Fassade ab, welches sich je nach Lichtverhältnis und Betrachtungswinkel ändert. Der Dachabschluss auf verschiedenen Höhen wird durch die Dachbegrünung begleitet. Das Attikageschoss zeichnet sich nicht ab, sondern gehört zum Hauptvolumen. Wie die Gebäude ‘Arme’, welche sich in die Umgebung und um die Bäume strecken, formt sich das Dachgeschoss in die Höhe.  Auf dem oberen Dachlevel finden auf rund 650m2 PV-Module und eine extensive Begrünung Platz. Um die Gegebenheiten des bestehenden Terrains nachhaltig und optimal auszunutzen, wird eine kompakte Tiefgarage von der Altwinkelnstrasse her erschlossen und umfasst zwei Etagen. Über ein Haupttreppenhausund den Innenhof gelangen die Bewohner zu ihren Wohnungen. Dies vereinfacht die Tiefgarage und schafft ein nachbarliches Miteinander im täglichen Leben. Von jedem Gebäude ist nur der nötige Teil unterkellert. Im Untergeschoss finden Trocknungsräume, Kellerräume und Technikräume Platz. Im östlichen Gebäude ist der Veloraum für alle Bewohner ebenerdig angesiedelt.

Konstruktion und Nachhaltigkeit

In Ergänzung zur äusserst dauerhaften und unterhaltsarmen Massivbauweise wird ein hohes Augenmerk auf die Nachhaltigkeit gelegt: Der Aushub wird minimiert und das überschüssige Erdmaterial soweit möglich auf dem Grundstück für Terrainkorrekturen wiederverwertet. Dabei wirkt sich die geringe Unterbauziffer positiv auf die stark biodiverse Freiraumgestaltung aus.
Die hochgedämmte Gebäudehülle minimiert den Verbrauch von Energie über die gesamte Lebensdauer. Um graue Energie zu sparen sind die Aussenwände als Einsteinmauerwerk konstruiert (Hohlräume mit Schweizer Schafwolle gedämmt). Wo möglich wird für die Betonarbeiten Recycling-Material verwendet. Erdsonden dienen fast Co2-neutral der Beheizung wie auch der Kühlung der Räumlichkeiten (die im Sommer abgeführte Wärme kann dabei für den Winter im Erdreich gespeichert werden). So kann in den Wohnungen mit der leichten Kühlung über die Bodenheizung den sich ändernden äusseren Einflüssen Rechnung getragen werden. Alternativ kann ein Anschluss an das städtische Fernwärmenetz geprüft werden. Eine einfachste Nachström-Lüftung sorgt auch in den gefangenen Nasszellen für ein gutes Raumklima. Ergänzt wird die Haustechnik durch die PV-Module auf den oberen Flachdächern.


Freiraum

Die Setzung der Volumina nimmt Rücksicht auf den Baumbestand. Dieser wunderbaren Basis wird ein durchlaufendes Wegnetz beigelegt. Nicht nur durch die Gebäude soll eine Vernetzung stattfinden, sondern vor Allem auch Dank des Aussenraums. Die bewährten Verknüpfungen der bestehenden Anlage werden übernommen und mit kleineren Pfaden ergänzt. Im Innenhof mit Spielplatz kreuzen sich alle Wege und führen die Bewohner und Gäste zu ihren individuellen Zielen. Die ausgestreckten Gebäudearme liegen in den Gartenzonen, welche durch einen für Menschen nicht aktiv genutzten Bereich abgeschlossen werden. Die Grünfläche wird mit wertvollen Öko- und Staudenflächen sowie Sträuchern aufgewertet. In den verschiedenen Zonen auf der Parzelle findet man auch stille Gewässer und wilde Ecken, welche auch für die GartentiereNischen bietet. So wie das Treppenhaus für die Bewohner die Verbindung der Lebensräume ist, werden auch die Lebensräume der Insekten durch die verbindenden Pflanzspaliere vernetzt. Die Biodiversität und die Vielfalt verschiedener Organismen soll gelebt werden. Die Bewohner und Gäste können sich durch verschiedene gemeinschaftliche Angebote naturnah bewegen. So stehen Ihnen Kompostbereiche, Feuerstelle, Hochbeete, Gartenschränke auf den Dachgärten und Spielbereiche zur Verfügung.


Grundrisse

Die Eingänge und die Adressierung befinden sich im Innenhof. Nicht das anonyme Ankommen und Verschwinden in die Wohnung ist erstrebenswert, sondern die Begegnung im öffentlichen - und halböffentlichen Raum. Über den überdeckten Einzug gelang man in das Treppenhaus, welches die verschiedenen Bereiche verbindet. Die Wohneinheiten in Erdgeschoss liegen auf Hochparterrelevel, damit die nötige Privatsphäre gewahrt wird. Die Ausrichtung der einzelnen Wohnungen ist unterschiedlich und deckt die verschiedenen Bedürfnisse ab. Das Wohn- und Esszimmer arrangiert sich um die Loggia herum. Diese kann auch als Jahreszeitenzimmer genutzt werden und ist multifunktional. Der Wohnraum kann mit einem Schaltzimmer erweitert und vergrössert werden. Die Zimmer sind wohl proportioniert und die Zwischenräume befreit und angenehm nutzbar.