MFH Zielstrasse 8, Appenzell

Städtisches Wohnen im Ortskern, 2024/25


Der aus den Ende 30er Jahre neuklassizistischer Heimatstilbau hat auch nach fast 100 Jahren nichts von seiner Stattlichkeit verloren. Das steile, geschwungene Dach mit der Gipshohlkehle und den unterschiedlichen Giebelgauben, steht markant am nördlichen Dorfeingang. Die rhythmische Fenstereinteilung, das auffällige Schindelgewand und die feinen Verzierungen beim appenzeller Holzwerk stechen hervor. Ein kleiner Umschwung grenzt mit den Sockelmauern den Hochparterrebau von den Strassen und dem Gehweg ab.

Die Aufgabe der Bauherrschaft war klar. Für den ausgefachten Riegelbau braucht es einen Innenausbau, der langfristig gedacht ist. Richtig machen, was gemacht werden muss und weglassen, was nicht nötig ist. Gesucht ist nicht der marktübliche Standard, sondern jener, der zum Haus passt und drei gleichwertige Wohnungen hervorbringt.


Die innere Raumstruktur ist bestechend klar, einfach gegliedert und über alle drei Stockwerke beinahe identisch. Daher brauchte es keine Anpassung an der Raumstruktur oder an der Statik. Verbunden sind die Geschosse vertikal mit einem grosszügigen, aus der Bauzeit stammenden Treppenhaus. Die Ausgestaltung ist aus Holz und Dank den Fenstern schön hell. Die nahezu getigerten wirkenden, dunklen Wände, das neue strahlende Licht, die edlen dunkelblau gestrichenen Decken und die knarrenden Stufen heissen die Bewohner und Gäste willkommen. Vor den Wohnungen ist der Boden aus einem Buchenparkett in Fischgrat verlegt. Der Boden zieht sich in die Wohnungsflure und wurde in den Stuben mit einem neuen Vollholzparkett, welcher im selben Muster verlegt wurde, aufgenommen. Bei den anderen Räumen wurde für den Bodenbelag ein unifarbenes Linoleum verwendet, ein reines Naturprodukt. Um den Trittschall zu verbessern und den brandschutztechnischen Anforderungen nachzukommen, verlegte man Trockenestrichelementen und die Hohlräume in den Decken blies man mit Zellulose aus. Ein Grossteil der Materialien, welche nicht aus der Bauzeit stammen, konnte man rückbauen, sodass die originalen Oberflächen zum Vorschein kamen. Die Wände und Decken sind mit einer Leinöl Farbe gestrichen. Jede der drei Wohnungen erhielt ein eigenes Farbkonzept. Die bestehenden Zierstäbe an den Wänden wurden an der Decke neu adaptiert. Sie sind farblich von den Feldern abgehoben und verleihen den gut proportionierten Räumen Eleganz. Die verputzen Flächen sind mit einem Lehmputz behandelt und mit einer Lehmfarbe gestrichen. Vor allem in den komplett neu gestalteten Nasszellen sind die positiven Effekte des Materials, unteranderem die Regulierung der Luftfeuchtigkeit, spürbar. Die neuen Bäder erhielten eine Bodenheizung und eine neue sanitäre Basis. Die Fliesen aus Feinsteinzeug bestechen durch ihre natürlichen Farben und der exakten Verarbeitung. Als Supplement wurde ein geräumiger Schrank eingebaut. Für zwei Wohnungen sind neue, lackierte Einbauküchen mit viel Stauraum gefertigt worden. Der verwendete Chromstahl harmoniert bestens mit den sorgfältig ausgewählten Farben. Bei der bestehenden, intakten Küche in der Hochparterre Wohnung spritzte man die Fronten neu, wechselte die Griffe aus und setzte hochwertiges Licht ein. Im Keller konnte eine Waschküche mit separaten Maschinen eingerichtet werden. Das Elektrische wurde im ganzen Haus übernommen und nur dort angepasst, wo es notwendig war.


Der äussere Glanzpunkt des Umbaus ist der Balkon. In der Ortsbildschutzzone sind die Dimensionen, die Gestaltung, das Zusammenspiel mit dem Bestehenden und die Ausarbeitung der neuen Elemente entscheidend. Mit Hilfe eines Modells konnten diese Faktoren überprüft werden. So erhielt jede Wohnung einen privaten, südlich liegenden Aussenraum. Der Garten kann von allen gemeinsam genutzt werden. Nicht nur beim Übergang von Innen nach Aussen mussten alle Handwerker Hand in Hand arbeiten. Während der ganzen Sanierung war dies das Mittel für den äusserst gelungenen Umbau.


 Fotografie Anna-Tina Eberhard